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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 26.08.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 189/04
Rechtsgebiete: BGB, UmwG
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 613 a | |
UmwG § 324 |
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 3 Sa 189/04
Verkündet am 26.08.2004
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 26.08.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heimann als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Neumünser vom 29.1.2004 - 4 Ca 267 c/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um das Bestehen von Ansprüchen des Klägers aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Kläger ist Gewerkschaftssekretär bei der Beklagten in N.. Die Beklagte ist ein Zusammenschluss von 5 Einzelgewerkschaften (...). Vor dem Zusammenschluss war der Kläger bei der D. als Gewerkschaftssekretär beschäftigt. Die Beklagte existiert seit Juli 2001.
Die von der Beklagten übernommenen Gewerkschaftssekretäre werden nach wie vor unterschiedlich vergütet und arbeiten auch weiterhin teilweise zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen. Die Beklagte beschäftigt und vergütet die Gewerkschaftssekretäre auf Basis der von den damaligen Einzelgewerkschaften betroffenen kollektiven Regelungen. Einheitliche Regelungen bzgl. der Arbeitsbedingungen, der Eingruppierung sowie der Vergütung existieren für die Beklagte bis dato noch nicht. Die Betriebsparteien haben aufgenommene Verhandlungen ausweislich zur Akte gereichter Gesamtbetriebsvereinbarungen anlässlich erforderlich gewordener Interessenausgleichsverhandlungen zurückgestellt. Sie haben sich gem. Ziff. 11.2 der "Gesamtbetriebsvereinbarung zu einem Rahmeninteressenausgleich und Sozialplan vom 15./16. Juli 2003" verpflichtet, einheitliche Vergütungs- und Eingruppierungsregelungen für v. e. V. in den Jahren 2004 ff. zu verhandeln und zum 01.01.2008 in Kraft zu setzen (Bl. 150 d. A.).
Der Kläger will hinsichtlich der Vergütung, der Wochenarbeitszeit sowie der Gewährung von Freizeitausgleichstagen für ungünstige Arbeitszeiten so gestellt werden, wie Gewerkschaftssekretäre der früheren H..
Er gibt eine monatliche Differenz der Vergütung eines Gewerkschaftssekretärs der ehemaligen H. im Verhältnis zu seiner Vergütung als Gewerkschaftssekretär der ehemaligen D. in Höhe von 372,00 Euro brutto monatlich an. Diesen Betrag begehrt er mit der vorliegenden Klage für den Zeitraum Juli 2001 bis einschließlich Februar 2003 für 20 Monate und errechnet so den Zahlungsbetrag in Höhe von 7.440,00 Euro brutto. Ehemalige Gewerkschaftssekretäre der H. erhalten darüber hinaus für ungünstige Arbeitszeiten Freizeitausgleich in Höhe von 17 Arbeitstagen pro Jahr. Diese freien Tage erhalten sie, wenn sie an Stelle der maßgeblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden gleichwohl 40 Stunden pro Woche arbeiten, sie von der Arbeitszeitverkürzung also nicht profitieren können (Bl. 41, 49 d. A.). Der Kläger arbeitet als ehemaliger D.-Mitarbeiter 38 Stunden pro Woche, während - nach seinem Vorbringen - ehemalige H.-Rechtssekretäre nur 37,5 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Dass er hierzu nicht verpflichtet ist, möchte er mit dem Klagantrag zu 3) festgestellt wissen.
Das Arbeitsgericht N. hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass er unter gleichen Arbeitsbedingungen arbeite, wie Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen H.. Zudem sei keine sachfremde Schlechterstellung festzustellen, da die Ungleichbehandlung auf dem Zusammenschluss der Gewerkschaften mit der Rechtsfolge des § 613 a BGB beruhe und ausschließlich dem Ziel diene, den Arbeitsnehmern ihre Besitzstände zu wahren. Die vom Kläger gewollte Meistbegünstigung sei nicht Sinn und Zweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Gegen dieses, dem Kläger am 13.04.2004 zugestellte Urteil legte er am 04.05.2004 Berufung ein, die am 14.05.2004 begründet wurde (Bl. 85, 91 d. A.). Der Kläger vertieft im Wesentlichen sein erstinstinstanzliches Vorbringen. Er habe die Existenz gleicher Bedingungen für alle Gewerkschaftssekretäre substantiiert vorgetragen. Die Beklagte habe den Kläger mit den Gewerkschaftssekretären der ehemaligen H. gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung sei sachfremd, jedenfalls nach mittlerweile drei Jahren. Die Beklagte sei verpflichtet, auf eine einheitliche Behandlung der Arbeitnehmer hinzuwirken. Sie habe bereits vor bzw. bei Zusammenschluss der Gewerkschaften ein einheitliches Vergütungssystem herbeiführen müssen und könne Diskrepanzen nicht beliebig lange fortsetzen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
1) Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Arbeitsvergütung in Höhe von 7.440,00 Euro brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 03.03.2003 zu zahlen.
2) Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend ab Juli 2001 Freizeitausgleich für ungünstige Arbeitszeiten in Höhe von 17 Tagen pro Jahr zu gewähren, abzgl. bisher gewährter 7 Tage pro Jahr.
3) Festzustellen, dass der Kläger rückwirkend ab Juli 2001 nur verpflichtet ist, 37,5 Stunden pro Woche zu arbeiten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält es in jeder Hinsicht für zutreffend. Sie hält das Vorbringen des Klägers bereits hinsichtlich der Tatsachen, aus denen sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergeben soll, nach wie vor für unsubstantiiert. Außerdem sei eine etwaige Ungleichbehandlung nicht sachfremd. Etwaige Unterschiede hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sowie der Vergütung seien Folge der Neugründung der Beklagten und des darauf anzuwendenden § 613a BGB. Die seitens der Beklagten angewandte Gruppenbildung ergebe sich mangels Existenz einer einheitlichen Vergütungsordnung aus der Beibehaltung der Differenzierung nach den Gründungsgewerkschaften und deren kollektiver Regelungen. Dieses Differenzierungskriterium sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es obliege nicht den Gerichten, sondern - ohne zeitliche Vorgaben - den Vertrags- oder den Tarifvertragsparteien, zu regeln, ob, wann und wie die Differenzierung abgebaut werden solle.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Obgleich die Beklagte in ihrem Betrieb mehrere voneinander unabhängige Systeme zur Regelung der Arbeitsbedingungen sowie der Vergütung ihrer Arbeitnehmer anwendet, ist dadurch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Die Ungleichbehandlung beruht auf sachlichen Gründen.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 242 BGB verneint.
A. Die Klaganträge zu 1) bis 3) sind zulässig. a.) Der Klagantrag zu 2 ist auslegungsbedürftig. Als Leistungsantrag formuliert hätte es nahe gelegen, dass der Kläger die Anzahl der seit Juli 2001 bis zur Klagerhebung aufgelaufenen zusätzlichen Freizeitausgleichstage berechnet und insoweit beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm diese Freizeitausgleichstage zu gewähren oder entsprechend zu vergüten. In diesem Leistungsantrag steckt jedoch an sich das Feststellungsbegehren, dass der Kläger festgestellt wissen will, dass ihm 17 Freizeitausgleichstage wie den Gewerkschaftssekretären der ehemaligen H. zustehen. Dieses Klageziel will er mit Wirkung ab der Existenz der Beklagten, aber vorrangig mit Wirkung für die Zukunft für beide Parteien als Handlungsgrundlage festgeschrieben haben. So versteht auch die Beklagte das Begehren des Klägers. Entsprechend ist der Antrag zu 2 auszulegen.
b.) So ist auch der allgemeine Feststellungsantrag zu 3 auszulegen. An sich könnte diesem Feststellungsantrag das Feststellungsinteresse fehlen, da sich aus der Formulierung dieses Antrages auch für den Fall des Obsiegens des Klägers noch nicht zwingend die Rechtsfolgen und die Befriedungswirkung - vor allem für die Vergangenheit - ergeben und deshalb ggfs. ein allgemeiner Leistungsantrag zu stellen gewesen wäre. Der Kläger will jedoch mit allen drei Anträgen an sich einheitlich festgeschrieben wissen, dass er seit Gründung der Beklagten im Juli 2001 hinsichtlich der Vergütungshöhe, der Freizeitausgleichstage für ungünstige Arbeitszeiten und der wöchentlichen Arbeitszeit so zu stellen ist, wie die Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen H., und zwar dass er eine um 372,00 EUR brutto höhere Vergütung monatlich erhält, dass er insgesamt 17 Freizeitausgleichstage für ungünstige Arbeitszeiten erhält und nur 37,5 Stunden pro Woche arbeiten muss. Die drei Anträge so verstanden und ausgelegt sind zulässig.
B.) Das Klagbegehren ist jedoch unbegründet.
1.) Die im Juli 2001 gegründete Beklagte beschäftigt Gewerkschaftssekretäre aus 5 verschiedenen Einzelgewerkschaften. Diese werden unstreitig unterschiedlich vergütet. So erhält der Kläger als Gewerkschaftssekretär 372,00 Euro brutto monatlich weniger als ein Gewerkschaftssekretär, der ehemals der H. zuzuordnen war. Die Beklagte hat eine Differenzierung hinsichtlich der Vergütung nicht selbst eingeführt. Sie hat sie vielmehr aus den kollektiven Vergütungsregelungen, die die in ihr aufgegangenen Einzelgewerkschaften getroffen haben, ohne insoweit Tarifverträge abzuschließen, seit ihrer Gründung im Juli 2001 beibehalten.
2.) Der Kläger hat schon das Vorliegen der Tatsachen, aus denen sich ein etwaiger Gleichbehandlungsanspruch ergeben könnte, nicht substantiiert vorgetragen. Voraussetzung für das mögliche Eingreifen des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist, dass Arbeitnehmer sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Um die "gleiche Arbeit" handelt es sich, wenn Arbeitnehmer identische oder gleichartige Tätigkeiten ausüben. Ob die Arbeit gleich ist, muss durch einen Gesamtvergleich der Tätigkeiten ermittelt werden. Bei einzelnen Abweichungen ist die jeweils überwiegende Tätigkeit maßgebend (BAG v. 23.08.1995 - 5 AZR 942/93, Leitsatz 2a).
Der Kläger hat bereits nicht dargelegt, dass er die "gleiche Arbeit" im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausübt, wie ein Gewerkschaftssekretär der ehemaligen H.. Er hat nicht substantiiert dargetan, dass er identische oder gleichartige Tätigkeiten ausübt. Insoweit fehlt es bereits an der Möglichkeit, einen Gesamtvergleich der Tätigkeiten durchzuführen und zu überprüfen, ob Abweichungen vorliegen, welches Gewicht sie haben und ob sich einzelne Abweichungen ggf. durchs Andere aufwiegen. Er hat auch zur Vergütungssystematik der ehemaligen D. und der ehemaligen H. nichts vorgetragen. Insoweit ist nicht feststellbar, ob es Abstufungen bei der jeweiligen Zuordnung zur Vergütungsgruppe in den kollektiven Regelungen der ehemaligen D. und der ehemaligen H. gibt und das er sie erfüllt. Der Kläger hat lediglich abstrakte Stichworte aufgezählt, was Gewerkschaftssekretäre allgemein so machen, ohne im Einzelnen auf betriebliche Besonderheiten, Örtlichkeiten, mitgliedermäßige Besonderheiten o. ä. einzugehen. Das ist nicht ausreichend, um feststellen zu können, dass die Arbeit der Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen D. im Gesamtvergleich mit der Arbeit der Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen H. identisch oder gleichartig ist.
Hinsichtlich des Klagantrages zu 2 bzgl. des Freizeitausgleiches für ungünstige Arbeitszeiten fehlt darüber hinaus jegliches Vorbringen des Klägers, dass auch er diese Voraussetzungen erfüllt. Die Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen H. erhalten unstreitig einen Freizeitausgleich in Höhe von 17 Arbeitstagen nur, weil sie an Stelle der geschuldeten wöchentlichen Arbeitsleistung von 37 Stunden gleichwohl 40 Stunden arbeiten. Der Kläger hat noch nicht einmal vorgetragen, dass er ebenfalls 40 Stunden pro Woche arbeitet.
Soweit der Kläger mit dem Klagantrag zu 3 für sich die 37,5 Stundenwoche festgeschrieben wissen will, erschließt sich dieses Klageziel dem Gericht nicht. Für die Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen H. war eine 37-Stunden-Woche vereinbart.
Letztendlich ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger meint, dass er gerade Anspruch auf eine Anpassung an das Vergütungsniveau der Gewerkschaftssekretäre der ehemaligen H. und nicht der Gewerkschaftssekretäre beispielsweise der ehemaligen IG Medien oder einer anderen der Gründungsgewerkschaften hat.
3.) Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt aber auch die seitens der Beklagten vorgenommene bzw. beibehaltene Gruppenbildung danach, welcher jeweiligen Gründungsgewerkschaft der Arbeitnehmer mit welchem sich daraus jeweils ergebenden Besitzstand zuzuordnen ist, nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
a.) Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Verboten ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Bereich der Vergütung anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, in dem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, so kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (BAG v. 17.11.1998 = AP Nr. 162 zu § 242 BGB Gleichbehandlung m.w.N; vgl. auch BAG v. 25.08.1976 - 5 AZR 788/75 = AP Nr. 41 zu § 242 BGB, BAG v. 18.11.2003, 1 AZR 604/02 unter I 4 m.w.N. in NZA 2004, 803 (807). Der Arbeitgeber ist grundsätzlich individualrechtlich nicht gehindert, die gleiche Tätigkeit von Arbeitnehmern ungleich zu vergüten. Der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist keine allgemein gültige Anspruchsgrundlage. Vielmehr besteht in Fragen der Vergütung Vertragsfreiheit, die lediglich durch verschiedene rechtliche Bindungen wie Diskriminierungsverbote und tarifliche Mindestentgelte eingeschränkt ist. Anderenfalls bedürfte es nicht einer Vorschrift wie in § 612 Abs. 3 BGB, der zur Folge in einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder gleichwertige Arbeit bei der Höhe der Vergütung nicht wegen des Geschlechts der Arbeitnehmer differenziert werden darf. (BAG vom 18.11.2003 - 1 AZR 604/02 a.a.O).
So ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt, wenn ein Unternehmer, der zwei bisher selbständige Betriebe nach § 613a BGB übernimmt und einen einheitlichen Betrieb schafft, jeder der beiden übernommenen Arbeitnehmergruppen Weihnachtsgratifikationen nach der in dem früheren Betrieb praktizierten Ordnung zahlt. Eine Differenzierung nach dem bei Betriebsübernahme erreichten sozialen Besitzstand ist nicht sachwidrig (BAG v. 25.08.1976 - 5 AZR 788/75 = AP Nr. 41 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; vgl. auch BAG vom 29.8.2001, 4 AZR 352/00 = AP Nr. 291 zu Art. 3 GG). Die Besitzstandswahrung ist ein allgemein anerkanntes Regelungsziel im Arbeitsleben. Soweit die Übernahme von Beschäftigten auf einem Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang beruht, prägt dieses Gestaltungsprinzip die Regelungen in § 613a Abs. 1 BGB über die Arbeitsbedingungen und somit auch über die Vergütung der übernommenen Beschäftigten (BAG vom 29.8.2001, a.a.O) Die Besitzstandswahrung für die übernommenen Beschäftigten impliziert sachlogisch die Möglichkeit der unterschiedlichen Vergütung im Vergleich zu der Stammbelegschaft (BAG vom, 29.8.2001, a.a.O.)
b.)Vorliegend hat die Beklagte zwar keine Belegschaft in ein bereits bestehendes Unternehmen übernommen. Vielmehr ist v. über die Schaffung einer "Gründungsorganisation" (Go v.) aus 5 Einzelgewerkschaften zu einem neuen Betrieb mit den Rechtsfolgen der Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz verschmolzen worden (vgl. LAG Köln v. 01.04.2004 - 10 Sa 1228/02 zit. nach Juris; Lörcher, v. - die neue Dienstleistungsgewerkschaft - rechtliche Aspekte, ZTR 2001, 544 ff.). Die Rechtsfolgen dieser Verschmelzung ergeben sich jedoch u. a. aus dem Umwandlungsgesetz (§§ 5,8, 324 Umwandlungsgesetz - im Folgenden: UmwG). Für das neue Umwandlungsrecht ist von der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 613a BGB auszugehen (Lutter, Kommentar zum Umwandlungsgesetz, Rz. 3 zu § 324 mit einer Vielzahl von Nachweisen). Erfolgt durch Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung der Übergang eines Betriebes auf einen anderen Rechtsträger, so tritt dieser gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der neue Rechtsträger erhält die volle Arbeitgeberstellung. An dem Arbeitsverhältnis ändert sich nichts. Der erworbene Besitzstand ist geschützt (Lutter, Rnd Ziff. 13 ff. zu § 324 Umwandlungsgesetz).
Damit war die Beklagte kraft Gesetzes gem. §§ 324 UmwG, 613a BGB verpflichtet, nach ihrer Neugründung den Besitzstand der Arbeitnehmer der einzelnen Gründungsgewerkschaften zu wahren.
c.) Die oben aufgeführte Rechtsprechung des BAG zur Rechtfertigung einer Differenzierung nach dem Besitzstand bei Betriebsübernahme ist uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall der Neugründung eines Unternehmens durch Verschmelzung mehrerer Betriebe anzuwenden. Ein Unternehmer, der durch Verschmelzung mehrerer Betriebe einen neuen einheitlichen Betrieb schafft, verletzt nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er nach der Verschmelzung bei der Führung des Betriebes die Differenzierung der Arbeitsbedingungen nach dem jeweils erreichten Besitzstand der aus den ursprünglichen Einzelbetrieben übernommenen Belegschaftsgruppen beibehält und vergleichbare Arbeitnehmer deshalb beispielsweise unterschiedlich hoch vergütet. Insoweit handelt es sich um einen sachlichen Differenzierungsgrund für die Ungleichbehandlung, der seinen Ursprung in der dem Arbeitgeber gem. §§ 613a BGB, 324 UmwG gesetzlich vorgeschriebenen Besitzstandswahrung hat.
d.) Die Berechtigung dieser unterschiedlichen Behandlung der übernommenen Beschäftigten als Folge der Besitzstandswahrung entfällt nicht wegen der Bindung an den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch eine Kombination beider Gesichtspunkte in dem Sinn, dass den übernommenen Beschäftigten der Besitzstand gewährt wird, gleichzeitig aber die Gleichbehandlung herbeigeführt wird, ist nicht möglich. Denn das würde zu einer Meistbegünstigung für alle führen, weil die Gruppe mit der höchsten Vergütung auf Grund der Besitzstandswahrung diese Vergütung behält und alle anderen Gruppen im Sinne der Gleichbehandlung diese höhere Vergütung beanspruchen könnten. Ein solcher Zwang zur Angleichung nach oben ist rechtlich nicht begründbar (BAG vom 29.8.2001, a.a.O). Soweit geht der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Übernahme zweier Betriebe nicht. (BAG vom 25.8.1976 - AP Nr. 41 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Der Kläger verfolgt jedoch vorliegend mit seiner auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützten Klage das Ziel, aus einer Kombination der günstigsten Bedingungen für Gewerkschaftssekretäre der Beklagten, die in noch weiter geltenden kollektiven Vergütungsregelungen der Gründungsgewerkschaften zu finden sind, eine Meistbegünstigung zu erreichen. Hierzu kann die Beklagte jedoch über den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 242 BGB gerade nicht gerichtlich gezwungen werden, da die Ungleichbehandlung nicht willkürlich ist, sondern auf der von der Beklagten zu beachtenden Besitzstandswahrung beruht.
4.) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter zeitlichen Gesichtspunkten.
Ebenso wenig wie die Tarifvertragsparteien (vgl. hierzu BAG v. 29.08.2001 - 4 AZR 352/00 = AP Nr. 291 zu Art. 3 GG) sind die Arbeitgeber gezwungen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums die durch den inhaltlichen Bestandsschutz bedingte Differenzierung zwischen einzelnen Belegschaftsteilen auszugleichen oder zu vermindern. Da es der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber nicht verbietet, die gleiche Tätigkeit von Arbeitnehmern unterschiedlich zu vergüten, sofern er nur keine sachfremde Gruppenbildung vornimmt, ist es seine unternehmerische Entscheidung, wie lange er ggf. auch eine unterschiedliche Vergütung vornimmt oder aufrecht erhalten will. Ob, wann und wie er eine Differenzierung abbauen will, liegt in seiner Regelungskompetenz. (vgl. BAG vom 29.8.2001 - AP Nr. 291 zu Art. 3 GG). Anderenfalls würden die Arbeitsgerichte in seine Vertragsfreiheit eingreifen, könnten sie ab einem bestimmten Zeitpunkt festlegen, ab wann welche den Arbeitnehmer am meisten begünstigenden Bedingungen aus welchen kollektiven Regelungen nunmehr Geltung zu finden haben. Dadurch wäre ein komplett neues Vergütungssystem per Gerichtsurteil ohne Mitwirkung der Betriebsparteien einführbar. Das ist unzulässig und mit der Vertragsfreiheit nicht vereinbar.
Die Möglichkeit der Ungleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt der Besitzstandswahrung unterliegt auch keiner zeitlichen Begrenzung. Ein Hineinwachsen in einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz kennt das Arbeitsrecht nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Beklagten auch keine Untätigkeit vorzuwerfen. Die Ungleichbehandlung soll keineswegs auf Dauer in der vorliegenden Form beibehalten werden. Ausweislich der Ziff. 11.2 der " Gesamtbetriebsvereinbarung zu einem Rahmeninteressenausgleich und Sozialplan für v." wurde eine Verpflichtung zur Verhandlung über einheitliche Vergütungs- und Eingruppierungsregelungen eingegangen. Es wurde und wird verhandelt. Der Beklagten ist nicht vorwerfbar, dass sie Verhandlungen über Entgeltfragen zu Gunsten von Verhandlungen über Regelungen zum Abbau von Arbeitsplätzen und deren Folgen für die Kollegen zeitweilig zurückgestellt hat. Sie hat sich insoweit an eine altbewährte, gesetzlich abgesicherte Rangfolge gehalten - §§ 64 a Abs. 1 , 64 Abs. 8 ArbGG. Danach sind Beendigungsstreitigkeiten und damit zusammenhängend zu regelnder Bestandsschutz vorrangig vor Zahlungsstreitigkeiten zu regeln.
5.) Aus den vorstehend genannten Gründen war der Berufung der Erfolg versagt. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, da der Rechtsstreit von grundsätzlicher Bedeutung ist. Es ist eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen. Außerdem liegt eine Entscheidung des BAG zur Besitzstandswahrung und deren Auswirkungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz im Zusammenhang mit Unternehmensneugründungen, z.B. durch Verschmelzung derzeit nicht vor.
Ende der Entscheidung
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